Definition
Alle Schmerzen im Gesicht werden über den Trigeminusnerv vermittelt. Wörtlich übersetzt
heißt Trigeminusnerv "Drillingsnerv", womit beschrieben wird, dass sich der Nerv nach dem
Austritt aus der Schädelbasis in drei Äste aufteilt, von denen der erste die Empfindungen von
Stirn, Auge und Stirnhöhle, der zweite die von Wange und Oberkiefer mit den dazugehörigen
Zähnen und der dritte die Empfindungen der Unterkieferregion vermittelt.

Aus dem eben Gesagten wird deutlich, dass beim Auftreten von Gesichtsschmerzen zunächst
Erkrankungen von Augen, Nasennebenhöhlen und Zähnen ausgeschlossen werden müssen,
bevor an eine Erkrankung des Gesichtsnervs selbst gedacht werden darf. Nachdem der Nerv
weit hinten im Gehirn entspringt und eine längere Strecke im Hirnschädel zurücklegt, bevor
er an der Schädelbasis austritt, können auch Irritationen des Nervs entlang dieses Weges -
zum Beispiel ein Tumor - Schmerzen im Versorgungsgebiet dieses Nerven verursachen.

Nicht jeder Schmerz im Gesicht, der nicht Symptom einer speziellen Organerkrankung ist
(z.B. ein erkrankter Zahn), darf deshalb schon als Trigeminusneuralgie bezeichnet werden,
sondern dafür ist das Vorliegen ganz bestimmter Symptome notwendig, wie nachstehend
ausgeführt wird. Eine exakte Unterscheidung ist vor allem deshalb wichtig, weil sich
unterschiedliche therapeutische Konsequenzen daraus ergeben.
Häufigkeit
Umfassende epidemiologische Erhebungen bezüglich der Häufigkeit der Trigeminusneuralgie stehen noch aus, trotzdem kann man sagen, dass es sich um eine sehr seltene Erkrankung handelt, an der etwa vier von 100 000 Personen jedes Jahr neu erkranken. Die Erstmanifestation tritt meist nach dem 50. Lebensjahr auf. Frauen scheinen etwas häufiger betroffen zu sein, außerdem leiden vier Prozent der an multipler Sklerose Erkrankten auch an Trigeminusneuralgie. Die Erkrankungswahrscheinlichkeit wächst mit zunehmendem Alter und Personen mit Bluthochdruck sind häufiger betroffen.
Ursachen
Der Trigeminusnerv - der fünfte Hirnnerv - entspringt im Winkel zwischen Kleinhirn und so
genannter Brücke, verläuft dann über eine Strecke an der Hirnbasis, bildet einen
Nervenknoten, das Ganglion Gasseri, um dann, unterhalb und etwas hinter der Augenhöhle,
die Schädelbasis zu verlassen und sich in seine drei Äste aufzuzweigen.

Wird der Nerv in seinem Verlauf an einer Stelle gedrückt und dadurch seine Nervenscheide
beschädigt, kommt es zu spontanen Entladungen des Nerves. Dieser Druck ist - selten - durch
einen Tumor möglich, häufiger durch Blutgefäße, die dem Nerven eng benachbart liegen. Es
handelt sich meist um Schlagadern (Arterien), die etwa im Rahmen einer Aderverkalkung,
wie sie häufig mit zunehmendem Alter auftritt, starrer werden, gegen den Nerv schlagen, ihn
reizen und vielleicht sogar die Nervenscheide beschädigen. Eine Schädigung der
Nervenscheide ist auch ein Charakteristikum der multiplen Sklerose, und so ist es nicht
überraschend, dass ein Teil - etwa 4% - der MS-Kranken an Trigeminusneuralgie erkrankt.
Bei diesen Patienten können auch beide Gesichtshälften befallen sein.

Dieser mechanistische Erklärungsversuch der Entstehung einer Trigeminusneuralgie ist leicht
zu verstehen und führt auch zu einem meist zunächst recht erfolgreichen Therapieversuch.
Trotzdem wird damit nicht erklärt, warum ein peripherer Reiz durch Kauen oder Sprechen die
Schmerzen triggert, oder warum - auch unbehandelt - zwischen den Attacken lange Pausen
auftreten. Auch finden sich nicht bei jedem Patienten, der an Trigeminusneuralgie leidet, in
der Computertomographie oder Kernspintomographie des Hirnschädels entsprechende
Auffälligkeiten der dem Nerven benachbarten Blutgefäße. So wird als weitere
Entstehungsursache der Trigeminusneuralgie eine Überaktivität im Trigeminuskern selbst -
ähnlich wie bei einer Epilepsie - vermutet. Ein wirklicher Beweis für die Entstehung der
Trigeminusneuralgie steht noch aus. Trotzdem haben die eben dargestellten Überlegungen zu
teilweise erfolgreichen Behandlungen geführt.
Symptome
Die Trigeminusneuralgie ist vor allem gekennzeichnet durch das Auftreten plötzlich
einsetzender, extrem starker, "vernichtender", sehr kurz dauernder Schmerzen
(Sekundenbruchteile bis ca. 2 Minuten), die sich häufig und rasch wiederholen können, aber
von schmerzfreien Intervallen unterbrochen werden. Oft werden diese Schmerzen als
"blitzartig aus heiterem Himmel einschießend, stromstoßartig" beschrieben. Diese Attacken
treten typischerweise nach Berührung der Wange, der Stirn, häufig beim Sprechen,
Zähneputzen oder beim Kauen und Schlucken auf.

Dies kann bei tagelang anhaltenden Attacken ohne sachgerechte Behandlung zu starkem
Gewichtsverlust und Flüssigkeitsmangel beim Patienten führen, da dieser aus Angst vor
neuerlichen Schmerzattacken nicht mehr isst und trinkt, auch wichtige Medikamente nicht
mehr einnimmt. Manchmal ist die betroffene Gesichtshälfte gerötet und es besteht ein
erhöhter Speichelfluss. Die Erkrankung beginnt streng einseitig und betrifft zunächst nur
einen der drei Nervenäste. Bei länger anhaltender und unzureichender Behandlung breitet sich
die schmerzende Zone oft aus, so dass mehrere Nervenäste betroffen sind.

Die Schmerzen bei Trigeminusneuralgie zählen zu den stärksten Schmerzen überhaupt und
haben in einigen Fällen sogar schon zu Selbsttötungen geführt.
Diagnose
Während bei vielen anderen Kopfschmerzen wie der Migräne oder dem
Spannungskopfschmerz auf eine apparative Diagnostik verzichtet werden kann, ist sie bei
einer Trigeminusneuralgie zwingend notwendig, und zwar zum einen, um eine
symptomatische Trigeminusneuralgie (z.B. einen Tumor) auszuschließen, und zum anderen,
um Irritationen des Trigeminusnervs im Kleinhirn/Brückenwinkel durch arteriosklerotische
Gefäßschlingen zu erkennen.

Die klinisch-neurologische Untersuchung zeigt bei typischer Trigeminusneuralgie keine
Besonderheiten. Zum Ausschluss anderer Ursachen kann eine HNO-ärztliche oder
zahnärztliche Untersuchung notwendig sein, bei Verdacht auf Multiple Sklerose wird eine
Lumbalpunktion (Entnahme und Untersuchung von Rückenmarksflüssigkeit aus dem
Wirbelkanal) vorgenommen.

Wichtig ist bei der Trigeminusneuralgie die Unterscheidung vom atypischen
Gesichtsschmerz, die mitunter schwierig sein kann, und - vor allem beim Befall des ersten
Trigeminusastes, dem Stirnast - die Unterscheidung von der postzosterischen Neuralgie (hier
erleichtert der vorausgegangene bläschenartige Ausschlag auf einfache Weise die Diagnose).
Auch beim Cluster-Kopfschmerz kommt es zu attackenartigen Schmerzen, gefolgt von einem
schmerzfreien Intervall. Typisch sind auch hier Rötung des Auges und Tränenfluss. Die
Attacken beim Cluster-Kopfschmerz treten - im Gegensatz zur Trigeminusneuralgie - häufig
nachts auf und sind lokaler auf das Auge begrenzt, während die Schmerzen der (seltenen)
Trigeminusneuralgie des Stirnastes die gesamte Stirn und das Auge betreffen. Auch
arthrotische Erkrankungen des Kiefergelenks (das so genannte Costen-Syndrom) und sogar
muskuläre Verspannungen der Halsmuskulatur können zu Gesichtsschmerzen führen.
Nicht jeder Gesichtsschmerz ist eine Trigeminusneuralgie
1. Symptomatische Trigeminusneuralgie

Das sind Schmerzen, die durch Schädigung des Trigeminusnervs auftreten z.B. nach
Operationen an den Zähnen oder den Nasennebenhöhlen, nach Verletzungen (z.B.
Mittelgesichtsfrakturen oder bei entzündlichen Erkrankungen des Zahnhalteapparats). Oft
treten diese Schmerzen auch im Zusammenhang mit multipler Sklerose auf.

Hier spricht man von Trigeminusneuropathie, mit anderen Behandlungsmöglichkeiten als
bei der typischen Trigeminusneuralgie.

2. Atypischer Gesichtsschmerz

Dieser Begriff bezeichnet Gesichtsschmerzen, die zwar vorwiegend im Bereich des
Trigeminus, jedoch nicht streng anfallsartig wie bei der Trigeminusneuralgie auftreten.
Es sind keine deutlichen Triggermechanismen vorhanden. Die Patienten mit atypischen
Gesichtsschmerzen klagen überwiegend über einen Dauerschmerz bzw. länger anhaltende
Schmerzen, die sich aber auch anfallsartig verstärken können. Häufig liegen hier auch
psychische Überlagerungen vor.

Die körperliche Untersuchung ist häufig völlig unauffällig. Die Schmerzen betreffen
meist diffus den Kopf- und Gesichtsbereich.

Zur Schmerztherapie des atypischen Gesichtsschmerzes können wie bei der
idiopathischen Trigeminusneuralgie Antikonvulsiva (z.B. Carbamazepin) versucht
werden, allerdings fällt die Erfolgsquote geringer aus.

Hier kommt keine (neuro)chirurgische Therapie in Frage.

3. Die essentielle oder idiopathische Trigeminusneuralgie.

Diese Form ist eine eigenständige Erkrankung und tritt somit nicht als Symptom einer
anderen Krankheit auf. Es gibt keine neurologischen Ausfälle.

Die Trigeminusneuralgie ist gekennzeichnet durch anfallsartige Gesichtsschmerzattacken
mit maximaler Stärke und überwiegend kurzer Dauer (Sekunden). Der Schmerzbereich
deckt sich mit dem Ausbreitungsgebiet des betroffenen Nervenastes. Häufige
Triggermechanismen sind Kauen, Sprechen oder bestimmte Gesichtsbewegungen, die
Berührung bestimmter Hautareale, die Einwirkung von Wasser oder generell Kälte.

Meistens sind bei der Trigeminusneuralgie Triggerpunkte bzw. Triggerzonen
identifizierbar. Die Beschwerden treten oft periodisch auf, schmerzfreie Intervalle sind
häufig. Manchmal gehen die Attacken der Trigeminusneuralgie auch in äußerst
schmerzhafte längere Salven über. Bei stärksten Schmerzattacken treten Zuckungen der
Gesichtsmuskulatur hinzu (Tic douloureux).

Als Ursache für die Trigeminusneuralgie gilt häufig eine Kompression durch
Gefäßkontakt mit einer Arterie, weshalb die meisten idiopathischen Formen letztlich dann doch wieder symptomatisch sind.

Trigeminusneuralgie




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